Neuer Erste Campus bildet urbane Stadtlandschaft

Henke Schreieck Architekten: „Haben Masterplan großzügig interpretiert, um lebendigen Stadtteil bauen zu können.“

Architekt: Henke Schreieck Architekten ZT GmbH Jahr: 2016 Bildrechte: Dieter Henke, Ana Barros (beide Henke Schreieck Architekten ZT GmbH) Der Erste Campus prägt als bedeutendes gestalterisches Element das Areal im unmittelbaren Einzugsbereich von markanten wie unterschiedlichen Stadtteilen – unter anderem das barocke Glacis vor dem Schloss Belvedere, der Schweizer Garten und das entstehende Viertel rund um den neuen Wiener Hauptbahnhof. Seit Jahresende 2015 sind die „neuen Arbeitswelten“ für rund 4.500 Erste-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in den „gleichwertige Arbeitsplätze“ bietenden Büros bezogen und müssen sich nun im Alltag bewähren. Die Voraussetzungen dafür wurden seitens der Architektur geschaffen – auch, indem man den ursprünglichen Masterplan für das gesamte Gebiet sehr großzügig interpretiert hat. Architektin Marta Schreieck vom Wiener Büro Henke Schreieck: „Wir waren auf diesem nordöstlichen Teil des Projektentwicklungsgebiets jene, deren Entwurf zuerst realisiert wurde, und hatten dadurch die besondere Verantwortung wahrzunehmen, einen lebendigen Stadtteil entstehen zu lassen. Gelungen ist das, indem wir das Karree, das der Masterplan vorgesehen hat, zwar eingehalten, jedoch die sich daraus ergebende Stadtkante mehrfach geöffnet haben. So konnten wir eine urbane Stadtlandschaft mit einzelnen Gebäuden, Innenhöfen und Gärten entstehen lassen, bei der der Beziehung von Innen- zu Außenräumen und vice versa sowie generell der Öffnung große Bedeutung zukommt. Ich freue mich heute sehr darüber, dass uns die Umsetzung dieser architektonischen Vision geglückt ist.“ Abschrägung und Gliederung Um einerseits den offenen Charakter der Anlage und die organische Form der einzelnen Gebäude zu unterstreichen, andererseits zu verhindern, dass man täglich einem frontalen Gegenüber ausgesetzt ist, schrägten die Architekten die Gebäudeenden um 180° ab. Ein wesentlicher Faktor beim Erste Campus sind die Gliederungen und Maßstäblichkeiten. Im Inneren wird diesen Parametern unter anderem durch ein zweigeschoßiges, so gut wie stützenfreies Atrium Rechnung getragen. Dieses stellt das räumliche und kommunikative Zentrum dar. Das Atrium ist öffentlich zugänglich und trägt – ergänzt durch weitere kulturelle und gastronomische Nutzungen der Erdgeschoßzonen – zur Belebung und Urbanisierung des neuen Stadtquartiers bei. Wertige Materialien Die Architektursprache des Erste Campus drückt Transparenz und Naturverbundenheit aus. Letzteres findet auch in der Materialwahl seine Entsprechung. Architekt Dieter Henke: „Wir haben großes Augenmerk auf authentische, wertige Materialien gelegt – echtes Holz statt Laminate, Beschichtungen mit einer Mischung aus Lehm, Kasein und Kalk für ein natürliches Raumklima, der Betonboden – innen geschliffen, außen durch die Beimengung von regional verfügbarem Donaukiesel rauer und damit rutschfest. Da steckt überall sehr viel handwerkliche Qualität dahinter, die insgesamt zu einer angenehmen Dichte und Haptik führt.“ Das bestätigt sich auch bei der Einrichtung. Bestes Beispiel ist das einem Monolith gleichende Empfangspult. Es besteht aus Einzelteilen, die nach dem Zusammensetzen hochwertig beschichtet wurden. So entstand eine organische Struktur und eine fugenlose, jedoch lebendige Oberfläche. Auch die Bestuhlung und Möblierung in den öffentlich zugänglichen Bereichen folgt diesem Anspruch an Hochwertigkeit. So sind Sitzgelegenheiten im Atrium im Grundriss exakt den Gebäudeteilen des Erste Campus nachempfunden und können wie Puzzleteile zusammengefügt bzw. getrennt werden – einer von zahlreichen, Identität stiftenden Faktoren.“ Die Einrichtung der Arbeitsplätze entspringt hingegen einem umfassenden Bemusterungsprozess, der gut ein Jahr lang dauerte und in den sämtliche betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden waren. Flexibilität gefragt Der neue „Zusammenarbeitsplatz“ (sic! DNA-Team des Erste Campus) war ursprünglich nicht ganz so geplant, wie er jetzt umgesetzt wurde. „Zu Beginn“, erinnert sich Architektin Marta Schreieck, „stand die Maxime des Open Space bei weitem nicht so im Vordergrund. Da wurden durchaus andere Anforderungen definiert und kommuniziert.“ In den neuen Büro- und Arbeitswelten des Erste Campus dominieren heute flexible Lösungen, die eine einfache Umrüstung der Büroorganisationsform erlauben. Fix sind nur noch die Flächenzuordnungen pro Abteilung. 95 solcher „Homebases“ finden in den rund 40.000 m2 Bürofläche des Campus Platz. In jeder Homebase stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern grundsätzlich drei Arbeitsplatztypen zur Verfügung. Diese sind Funktionen und Tätigkeiten, jedoch keinen einzelnen Personen zugeordnet. Darin liegt wohl der größte Kulturwandel in unserer modernen Arbeitswelt.

Fakten

Adresse
Am Belvedere 1 A-1100 Wien
Fläche
Grundstück: 25.000 m2 BGF: 165.000 m2
Architektur
Architektur: Henke Schreieck Architekten ZT GmbH Projektentwickler: Erste Campus ImmobilienGmbH & Co KG
Chronologie
Wettbewerb: 2008 Baubeginn: 2010 Fertigstellung: 2015

Projektpartner

Renngasse 10
Marina Tower