ÖAMTC Konzernzentrale
Mobilitätsclubzentrale am Verkehrsnerv
Architekt: Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbHJahr: 2016
Bildrechte: ÖAMTC / M.O.O.CON / Toni Rappersberger, ÖAMTC / Postl, Trox Austria GmbH / Robert Fritz
Freunde moderner Architektur begeistert
Mit der neuen Unternehmenszentrale Erdberg hat der ÖAMTC in Wien geografisch eine Lücke geschlossen. Der neue Mobilitätsclub ist ein „Leistungsmix-Weltmeister“: Nothilfe Callcenter, Technischer Stützpunkt, Rechtsberatung, Schulungszentrum, Konferenz-bereiche, Filmstudio, Restaurant, Büros und Notarzt-Helikopterstützpunkt – all dies und vieles mehr befindet sich nun unter einem Dach. Der Weg zur neuen Zentrale wurde gemeinsam beschritten: „Partizipation war nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht“, erinnert sich Mag. Karl Friedl, Geschäftsführer des Bauherren-Beraters M.O.O.CON. So führte der ÖAMTC in Begleitung von M.O.O.CON nicht nur einen Standortwechsel durch, sondern vollzog gleichzeitig die Metamorphose zum modernen, zukunftsweisenden Mobilitätsclub. Beispielhaft zukunftstauglich gestaltete sich auch der Planungsprozess: Der ÖAMTC als weitsichtiger Bauherr zog von Beginn an nicht nur die Errichtungskosten für einen Neubau in Betracht, sondern auch die ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Gebäudes anfallenden Betriebskosten. Als Beratungsunternehmen stand M.O.O.CON dem Unternehmen nicht nur diesbezüglich zur Seite, sondern unterstützte die Projektleitung auch in allen Phasen der Teamentwicklung. (Quelle: M.O.O.CON)
Am Standort Baumgasse 129 im 3. Wiener Gemeindebezirk, unmittelbar an der meist-befahrenen Straße Österreichs, wurde im März 2017 nun diese neue Zentrale des ÖAMTC eröffnet. Auf neun Ebenen des sogenannten Mobilitätszentrums entstanden auf einer Bruttogeschoßfläche von 27.000 m² Stützpunkt, Büro-, Konferenz- und Schulungsräumlichkeiten. Diese bieten ein innovatives Arbeitsumfeld für rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und fassen gleichzeitig fünf bisherige Bürostandorte von Österreichs größtem Mobilitätsclub zentral zusammen. Das vom Architekturbüro Pichler & Traupmann entworfene Gebäude ist originellerweise in Form einer Felge mit fünf „Speichen“ an-gelegt. Die 230 m lange und fast 17 m hohe Fassade ist das architektonische Highlight des neuen ÖAMTC-Mobilitätszentrums. Sie bildet das verbindende Element, das sich von Speiche zu Speiche erstreckt. Außerdem fungiert sie einerseits als Schutzwand zur Wiener Südosttangente, andererseits als Aufnahmebauwerk für die vorgeschriebenen Fluchtwege aus den Büroräumlichkeiten, die auf diese Weise konstruktiv in die Stahlkonstruktion integriert werden konnten. Somit konnten die Tiefen des Bürogebäudes ausgenutzt und die Massivtreppenhäuser kleiner gehalten werden.
BIM-gestützte Umsetzung
Die prominent positionierte Stahl-Glas-Konstruktion der Ringfassade konnte durch den konsequenten Einsatz von BIM-Technologien im Zuge der Ausführungsplanung durch das Zusammenspiel der planenden Architekten, des Tragwerksplaners und der ausführenden Unternehmen umgesetzt werden. Für die Herstellung der Ringfassade, der Hoch-garage, des Hangars sowie des Heliports zeichnet die international tätige Unger Steel Group aus Oberwart im Südburgenland verantwortlich. Die Ringfassade ist das architektonische Highlight der neuen ÖAMTC-Zentrale. Die Entfluchtung aus dem Gebäude erfolgt über Rampen, die in drei Ebenen konstruktiv in die Ringfassade eingegliedert und für 800 Personen ausgelegt sind. Diese Rampen weisen eine Gesamtlänge von mehr als 800 lfm auf. Im Wesentlichen gliedert sich die 230 m lange, bis zu 35 m auskragende und bis zu 17 m hohe Ringfassade von außen nach innen in fünf Schichten.
Podeste und Rampen
Die erste und die letzte Speiche weisen aufgrund einer zusätzlichen Bürogeschoßebene vier Podeste auf, wobei drei davon in den Geschoßzwischendecken der Bürospeichen verankert sind und das unterste Podest vom Kastenträger gebildet wird. Von diesen Podesten führen direkt anschließende Rampen in das jeweils darunterliegende Stockwerk und bilden somit die Fluchtwege des gesamten Gebäudes. Diese Rampen bestehen aus rechteckigen und quadratischen Formrohren.
Heliport und Hangar
Der auskragende Teil des Heliports umfasst hauptsächlich die Sicherheitszone und das Fangnetz. Im Bereich der runden und ebenfalls auskragenden Landeplattform für den Rettungshubschrauber wurden eine Betonplatte sowie Schwerlastgitterroste eingesetzt, von denen das Fangnetz nach außen gespannt wird. In unmittelbarer Nähe zum Heliport befinden sich der Hangar, der Crewbereich und die Lüftungszentrale. Die Haupttragkonstruktion dieser drei Bereiche wurde als Rahmenkonstruktion ausgeführt. Die Form gleicht sich zwei der fünf Speichen an und verläuft zum Atrium hin harmonisch aus.
Hochgarage
Am Sockel des von Freunden moderner Architektur vieldiskutierten und größtenteils begeistert kommentierten Bauwerks ist die Hochgarage mit 265 Stellplätzen angelegt. Die Stahlkonstruktion ist mehrfach beschichtet und wurde im Bauzustand überhöht ausgeführt. Insgesamt stehen sechs Halbgeschoße mit Stellplatzbreiten von bis zu 2,60 m und einer lichten Höhe von 2,40 m zur Verfügung. Die Verbundträger überspannen bei einer Einflussbreite von 2,60 m eine Länge von16 m. Der Deckenaufbau setzt sich aus einer 60-mm-Stahlbetonelementdecke und einem 100 mm dicken Aufbeton sowie einer 5 mm dicken Versiegelung zusammen.
Tragwerkskonzept Ringfassade
Die Lösung der Aufgabenstellung, ein funktionierendes, ausführbares und gleichzeitig wirtschaftliches statisches System zu finden, hatte als Randbedingung einen weit-reichenden und maßgebenden Einfluss auf das Tragwerkskonzept. Aufgrund der Länge der Ringfassade in Umfangsrichtung von 250 m und den damit verbundenen, maß-gebenden thermischen Verformungen im Ausmaß von +/– 85 mm an Speiche A und E mussten entsprechende Bewegungsmöglichkeiten in Längsrichtung vorgesehen werden, um keine Zwangskräfte aus der Ringfassade in den Betonbau einzuleiten. Gelöst wurde diese Randbedingung durch den Entwurf einer Tragkonstruktion aus einem über 250 m durchlaufenden Stück ohne Dehnfuge. Notwendigerweise musste nun die Tragkonstruktion in Umfangsrichtung vom Betonbau entkoppelt werden. Diese Entkoppelung führte schließlich zu einer – in allen Richtungen – gelenkigen Lagerung der Ringfassade auf Elastomerlager. Das zentrale tragende Element bildet der geschweißte Hohlkasten (2.000 mm x 800 mm, Blechdicken von 12 – 25 mm in S355J2).
Statische Berechnung
Die statische Berechnung der komplexen Struktur erfolgte an einem räumlichen, geometrisch linearen Modell. Aufgrund der direkten Verbindung der Verglasung mit der Stahlkonstruktion und der damit verbundenen, geringen zulässigen Toleranzen waren die Anforderungen an die Berechnung und Bemessung nicht nur bei der Beurteilung der Tragsicherheit, sondern ebenso bei der Bestimmung der Verformungen sehr hoch. Die kritischen Verformungen werden im Wesentlichen von der Nutzlast sowie von den Windeinwirkungen bestimmt. Für die Ermittlung der Windlast wurden Windkanalversuche durchgeführt. Im Windkanal wurde dazu ein Gebäudemodell im Maßstab 1:250 in 24 Windrichtungsschritten (15°-Schritten) untersucht. Insgesamt wurden auf der Innen- und Außenseite der Ringfassade rund 150 Druckmesspunkte angebracht. Mit den damit vorliegenden Sog- und Druckverteilungen war es letztlich möglich, die Struktur abschnittsweise optimal zu bemessen. (Quelle: Unger Steel Group)
Architektur, die lebt
Architekt Christoph Pichler vergleicht das neue Mobilitätszentrum des ÖAMTC mit einem lebendigen Organismus: „Während die Tragstruktur als organisches Skelett gesehen werden kann, erfüllt die Gebäudetechnik weitgehend unsichtbar gleichsam die Funktionen der Atemwege, des Blutkreislaufs sowie der Nervenstränge.“ Aufgrund der Komplexität des Bauvorhabens konnten weder Stützen noch Schächte senkrecht durch alle Geschoße geführt werden, sondern wurden dem Fluss der Funktionen und des Raumes entsprechend dreidimensional entfaltet und in die Architektur integriert. Auch das eine maßgeschneiderte Lösung für ein maßgeschneidertes Gebäude.
Fakten
Baumgasse 129
A-1030 Wien
Grundstück: 14.913 m2
Nutzfläche: 20.126 m2/p>
bebaute Fläche: 9.278 m2
BGF: 27.000 m2
Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH
Planungsbeginn: 2013
Grundsteinlegung: 05 / 2015
Eröffnung: 17. März 2017