KaDeWe
Neues Kaufhaus des Westens für Wien
Architekt: OMA Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam / NL, NMPB Architekten ZT GmbH, Wien
Bauherr: Signa
Signa baut nach OMA-Entwurf in der unteren Mariahilfer Straße
Das in Rotterdam ansässige Office for Metropolitan Architecture, kurz OMA, bzw. deren Planer Ellen van Loon und Ippolito Pestellini Laparelli, entwerfen das neue Kaufhaus des Westens, kurz KaDeWe samt Hotel in der Wiener Mariahilfer Straße, direkt beim Museumsquartier. Eine Fachjury unter dem Vorsitz von Architektin Dipl. Ing. Elke Delugan-Meissl, bestehend aus Experten der Bereiche Architektur, Handel und Projektentwicklung sowie Vertretern der Stadt Wien und des 7. Bezirks, hat das von OMA eingereichte Projekt einstimmig zum Sieger gekürt. Das von Pritzker-Preisträger Rem Koolhaas gegründete, niederländische Architekturbüro setzte sich dabei gegen namhafte Konkurrenz durch; waren doch außer OMA noch die Büros Snøhetta, BIG Bjarke Ingels Group und Hadi Teherani Architects geladen, Entwürfe einzureichen. Grundlegende Kriterien für das Projekt waren Nachhaltigkeit, eine zukunftsweisende Nutzung und architektonische Einzigartigkeit. Besonders zu achten war auf die Prominenz des Standortes, die Bedeutung der Lage als Begegnungszone und auf die städtebauliche Identität.
Im historischen Herzen Wiens
Das Bestandsgebäude besteht aus drei Bauteilen unterschiedlicher Baujahre mit einer Gesamtnutzfläche von rund 58.000 m² sowie einer Tiefgarage mit 327 Stellplätzen. Wesentlicher Mieter nach Fertigstellung der Immobilie wird die KaDeWe Group mit einem langfristigen Mietvertrag sein. Das neue Warenhaus wird nach seiner Fertigstellung ein starkes Signal in Richtung stationären Handel setzen.Ippolito Pestellini Laparelli und Ellen van Loon: „Der Wert von Kaufhäusern sollte an ihrer Fähigkeit gemessen werden, sich auf den lokalen Kontext einzulassen. Wir freuen uns sehr über die Gelegenheit, im historischen Herzen Wiens zu arbeiten und werden mit diesem Projekt seine Qualitäten hervorheben. Das von uns entworfene Gebäude ist ein architektonisches Instrument, das durch seine eigene interne Organisation neue städtische Verbindungen und öffentliche Räume herstellt.“ Die Hauptkomponenten des künftigen KaDeWe in der Wiener Mariahilfer Straße sind in zwei Bereiche unterteilt: das Kaufhaus im vorderen, ein Hotel mit 145 bis 150 Zimmern im hinteren Teil des Ensembles. Dazwischen hat OMA mit „The Link“ einen grünen Durchgang geplant, der Menschen zu einer Reihe öffentlicher Dachgärten einlädt. Die Gärten werden sich in Qualität und Charakter unterscheiden – von Baumhainen bis zu Sonnendecks – und von allen Seiten des Gebäudes einen beispiellosen Blick auf die Stadt bieten. Die neue Dachterrasse wird als Hot-Spot für alle – ohne Konsumzwang – öffentlich zugänglich gemacht. Sie wird sich über mehrere hundert Quadratmeter erstrecken und den modern-urbanen Charakter des ab 2024 eröffneten Gebäudes direkt am MuseumsQuartier zusätzlich betonen. Der KaDeWe-Komplex wird mit dem Fußgängernetz des Gebiets verbunden sein und völlig neue Arten von öffentlichen Räumen im historischen Zentrum Wiens bieten. Ein öffentlicher Durchgang im Freien bildet eine Erweiterung der Karl-Schweighofer-Gasse und ein Fußweg verbindet einen neuen, zentralen Eingang in der Mariahilfer Straße mit dem Durchgang. Die Mittelachse des Gebäudes organisiert die Hauptströme und mündet in einen kreisförmigen Hohlraum, der das Epizentrum des Einzelhandelsbereichs bildet. Das Gebäude wird durchlässig und offen sein: Ein ideales Ziel für den zeitgenössischen Flaneur. Es wird sowohl öffentliche als auch intime Räume bieten, städtische Schleifen in der Nachbarschaft vervollständigen und gleichzeitig eine osmotische Beziehung zur Stadt und ihren Einwohnern herstellen.
Fassade als ikonischer 3D-Schleier
Die Fassade ist gemäß dem OMA-Entwurf von den sanften und raffinierten Geometrien der Architektur der Wiener Secession inspiriert. Das Fassadenkonzept basiert auf einem System aus zylindrischen Glasmodulen unterschied-licher Größe – konvexen Erkerfenstern für das Hotel und konkaven Paneelen für das Kaufhaus. Die Gebäudehülle ist sowohl ikonisch als auch subtil und erscheint als dreidimensionaler weißer Schleier, der sich rhythmisch entlang des gesamten Gebäudes entfaltet.
Blick in die Geschichte
Am 3. und 4. April anno 1895 wurde das fünfgeschoßige Eckhaus „Zur großen Fabrik Stefan Esders“ an der Adresse Mariahilfer Straße 18 als erste Wiener Niederlassung des Textil-Warenhausimperiums des belgisch-österreichischen Unternehmers Stefan Esders eröffnet. Das von Architekt Friedrich Schachner nach dem Vorbild großer Pariser Warenhäuser („Galeries Lafayette“, „Printemps“, „La Samaritaine“) errichtete Gebäude war mit weitläufigen Verkaufsräumen und 39 elektrisch beleuchteten Schaufenstern eines der prächtigsten Warenhäuser Europas. Das Gebäude war durch seine moderne Pfeilerbauweise aus Granit, Klinker und mauer-ummanteltem Eisen sowie die großzügigen Galerien im Inneren für die damalige Zeit architektonisch zukunftsweisend. Das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß dienten dem Verkauf, im zweiten und dritten Obergeschoß befand sich die Kleiderfabrik, im vierten Obergeschoß war die Wohnung des Eigentümers untergebracht. Bereits 1898 wurden erste Umbauten und Erweiterungen des florierenden Unternehmens notwendig sowie 1902 ein Zubau. 1912 erfolgten weitere Umbaumaßnahmen. Nach Stefan Esders Tod (1920) übernahm sein Sohn Bernhard (bis 1933), danach sein Enkel Stefan die Leitung des Unternehmens. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude und seine prächtige historische Fassade in Mitleidenschaft gezogen. Erst ab 1950 trat eine Normalisierung des Verkaufsbetriebs in dem einst prunkvollen Gebäude ein. Mit der Auflösung des Unternehmens Esders wurde das Warenhaus 1964 an das Textil-, Teppich- und Möbelhandelsunternehmen Rudolf Leiner GmbH verkauft. In weiterer Folge erfuhr das Gebäude eine starke bauliche Veränderung – im Inneren durch Umbauten und Modernisierungen, wie den Einbau von Aufzügen und Rolltreppen, sowie in der Nutzung der oberen Geschoße, die nun ebenfalls für den Verkauf herangezogen wurden. Im Außenbereich sorgte die radikale Vereinfachung der Fassade im sachlichen Stil der Nachkriegsmoderne für einen deutlichen Wandel des historischen Gebäudecharakters. Das als Möbelhaus Leiner bekannte Eckhaus an der Adresse Mariahilfer Straße 10 – 18 blickt also auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück, die nun – nach dem Erwerb des Gebäudes durch Signa Ende 2017 und der damit verbundenen, angestrebten Modernisierung wie oben beschrieben – in eine verheißungsvolle Zukunft übergehen zu scheint. (Quelle: Signa, OMA)
Fakten
A-1070 Wien Mariahilfer Straße 10 – 18
Bauteile: 3
BGF: 66.000 m2
Gesamtnutzfläche: 58.000 m2
Mietfläche Retail: 30.000 m2
Nutzfläche Hotel: 10.000 m2
Hotel: 150 – 165 Zimmer
Grünfläche Dach: 1.000 m2
Tiefgarage: 327 Stellplätze
OMA Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam / NL
NMPB Architekten ZT GmbH, Wien
Wettbewerb: 2019
Baubeginn: 2021
Fertigstellung: 2024