Steirereck
Steirereck im Stadtpark, Wien
Architekt: PPAG architectsJahr: 2014
Bildrechte: © pierer.net
Homepage: www.ppag.at
Top-Restaurant Steirereck im Stadtpark ein Augenschmaus
Schenkt man augenscheinlich kundigen Personen Glauben, dann zählt das Steirereck im Stadtpark zu den weltbesten Restaurants Österreichs. Die ständig steigenden Ansprüche in diesem Segment der Besten führten zu einem zunehmenden, internen Raumbedarf und machten trotz eines erst vor wenigen Jahren durchgeführten Umbaus eine umfassende Neuformulierung der äußeren und inneren Bereiche des Gourmettempels notwendig.
Geladener Wettbewerb
Zur Lösungsfindung wurde 2012 ein geladener Wettbewerb ausgeschrieben. Der hohe Anspruch des Bauherrn, der Familie Reitbauer, zeigte sich schon hier, und zwar in den einzulösenden, gegensätzlichen Begriffspaaren wie „einzigartig und elegant, zeitlos und innovativ“. Dieser spannenden Gegensätzlichkeit begegnet man im neuen Steirereck übrigens noch öfter … „Um uns der Aufgabe anzunähern“, erinnert man sich bei den schlussendlich siegreichen PPAG Architekten aus Wien, „haben wir uns sehr grundlegend mit dem Thema Essen aus der Perspektive des Kochenden wie des Essenden auseinandergesetzt, indem wir sowohl in die eine als auch in die andere Rolle geschlüpft sind. Wir haben gesehen, dass die historische Entwicklung des Gastraums im Vergleich zu anderen Typologien, beispielsweise dem Wohnen, undifferenzierter verlaufen ist. Der klassische Gastraum ist im Wesentlichen ein Behälter, in den Tische gefüllt werden. Unser Vorschlag lieferte sozusagen den missing link, mit dem der Gastraum mit vergleichbaren Typologien gleichziehen kann.“
Gastraum reloaded
Bei der Konzeption des neuen Gastraums gingen die Architekten daher vom einzelnen Tisch aus. Anstelle der ehemaligen Terrasse zum Kinderpark gibt es nun ein System von fingerartig verzweigten Pavillons, das sich aus einer präzisen Anordnung der Tische heraus entwickelt. Jeder Tisch liegt am Rand, an der Fassade und hat – frei nach dem Motto „Sehen und gesehen werden“ – vielfältige Blickbeziehungen nach außen sowie zu den anderen Tischen. Konstruktiv bestehen die Pavillons aus einzelnen Bausteinen aus Industrieholz, die jedem Tisch eine Art schützenden Rücken geben – das (bessere) Zuhause für einen Abend.
Drinnen und doch draußen
Besonders wichtig war den Bauherren die Nähe zum Park. Große, elektrisch betriebene Hebefenster und die wie mit Tau beschlagene, leicht reflektierende Metallfassade ermöglichen diese Nähe optisch und geben dem Gast bei akustisch wie thermisch höchstem Komfort das Gefühl, im Freien und zugleich im Haus zu sitzen. Die Pavillons gehen räumlich in niveaugleiche, kleine Höfe über, die über Sitzstufen mit dem Park verbunden sind. Sie signalisieren Abgrenzung und Einbettung zugleich. Über eine der Schluchten führt der Weg zum Eingang. Und über all dem grünt auf dem Dach der Kräutergarten.
Alt und doch neu
Die Mimikryarchitektur der Pavillons reiht sich in die in Parks oft übliche, leichte Architektursprache ein. Dabei wird der bestehende, denkmalgeschützte, wientalseitige Gastraum komplett verwandelt. Gebogene, zum Teil drehbare Metallpaneele holen das Fassadenmaterial der Pavillons in den Innenraum und erzeugen je nach Bedarf verschieden große und wohl proportionierte Räume. Die Decke schwebt wie ein kopfüber liegendes Höhenschichtenmodell über den Gästen. Ihre Berge und Täler lassen die Stürze der bestehenden Fenster verschwinden und bewältigen die verschiedenen Positionen der in sich unterschiedlich hohen Drehelemente. Wo es die Denkmalschützer erlauben, wurden rahmenlose, gekrümmte Nurglaselemente eingesetzt. Zusammen mit den bestehenden Elementen wirkt der Raum alt und neu zugleich. Ein Mittelteil verbindet die verschiedenen Bereiche und Ebenen und wird sowohl von Personal und Gästen durchquert. Er erinnert durch algorithmisches, an keiner Stelle gleiches Fliesenmuster entfernt an Küche und gibt dem Gast das Gefühl, mittendrin und nicht nur dabei zu sein. Vom Küchenpersonal benutzte Vitrinen mit dementsprechend interessantem Inhalt säumen den Weg des Gasts und laden ihn gemeinsam mit stellenweise vorhandenen Sitzgelegenheiten durchaus zum Aufenthalt in diesem innersten Bereich ein.
Mittendrin und nicht nur dabei
Im Untergeschoß führt der Weg, vorbei an Saatgut- und Käsevitrine, zu den WCs, die hier (wo eigentlich nicht?) eine Welt für sich sind. Ihre kristalline Form, die sich aus der Position der Klomuscheln und Waschbecken herleitet, wird durch eine die Geometrie konterkarierende Malerei optisch verwirrend überarbeitet. Unter den Pavillons befindet sich die großzügige Küchenerweiterung mit Abwäsche, Topfspüle, Vorbereitungsküche, Patisserie, Wäscherei, Laborküche und Sozialraum – trotz ihrer Lage hell und zum Teil über Solatubes tagesbelichtet. In den unteren Geschoßen befinden sich auch umfangreiche, neue haustechnische Bereiche.
Natur meets High-Tech
„Alles wurde“, verlautet es aus PPAG-Kreisen, „umfangreich diskutiert und sich in unzähligen Vorschlägen an die Lösung angenähert. Bis hin zum Objekt- und Möbelbau wurde durchgehend Prototypisches geschaffen: Die Tische und der Kamin mit durch Glasblasen nach außen sichtbaren Kammern unterschiedlicher Temperatur im Raucherbereich, das große Empfangspult im Eingangsbereich aus einem speziellen Holz-Kunststoffgemisch, die Handtaschenbankerl, aus denen man bei Bedarf einen Paravent bauen kann etc., wobei wir versucht haben, natürliche mit High-Tech-Materialien und bestehende Möbel mit neuen zu kombinieren. Punktuell gibt es auch Reminiszenzen an die letzte Umbauphase aus dem Jahr 2004.“ In einer Planungs- und Bauzeit von nur zwei Jahren wurde ein Projekt realisiert, das äußerst unterschiedliche, bestehende Bereiche zusammen mit dem Zubau zu einer neuen Gesamtheit fasst. Die Baustelle wurde großteils bei laufendem Betrieb abgewickelt und war auch in dieser Hinsicht eine Herausforderung für alle Beteiligten. Während der Bauzeit wurde das Gebäude von oben, mit Blick auf die Baustelle, betreten. Der dazu eigens errichtete fortartige Bauzaun war ein Gebäude für sich. So ist etwas entstanden, das neu und doch gemütlich, vielsagender Hintergrund und starke architektonische Ansage zugleich ist.
Fakten
Am Heumarkt 2A / im Stadtpark
A-1030 Wien
Grundstück: 1.950 m2
BGF: 3.000 m2
Bearbeitete NF: 2.100 m2
PPAG architects ztgmbh
Damböckgasse 4
A-1060 Wien
Wettbewerbserfolg: 05 / 2012
Einreichung: 10 / 2012
Baubewilligung: 05 / 2013
Baubeginn: 09 / 20132
Fertigstellung: 06 / 2014